Die systemische Familientherapie ist ein psychotherapeutischer Ansatz, der auf der Überzeugung beruht, dass psychische Probleme und Krankheitsbilder oft in einem sozialen Kontext entstehen und durch komplexe zwischenmenschliche Beziehungen beeinflusst werden. Dieser Ansatz hebt die Bedeutung von Familienstrukturen, Kommunikationsmustern und sozialen Systemen hervor und betrachtet individuelle Schwierigkeiten als Teil eines größeren Netzwerks von Wechselwirkungen.

Im Kontext des Krankheitsentstehens betont dieser Ansatz, dass psychische Schwierigkeiten nicht ausschließlich auf individuelle Biologie oder Persönlichkeit zurückzuführen sind. Vielmehr können familiäre und soziale Faktoren einen erheblichen Einfluss haben. Eine traumatische Familiengeschichte, dysfunktionale Kommunikationsmuster oder ungelöste Konflikte können zur Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Krankheitsbildern beitragen.

Die systemische Familientherapie entstand in den 1950er Jahren als Reaktion auf die traditionelle individuelle Psychotherapie. Die Begründer:innen erkannten, dass das Verhalten eines Individuums nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern eng mit den Beziehungen und Mustern innerhalb der Familie und des sozialen Umfelds verbunden ist. Dies führte zur Entwicklung eines Ansatzes, der nicht nur den Einzelnen, sondern das gesamte System in den Mittelpunkt rückt.

Ein zentrales Konzept in der systemischen Familientherapie ist das des „Feedback-Loops“ oder der zirkulären Kausalität. Dies bedeutet, dass Verhalten und Kommunikation in einem System sich gegenseitig beeinflussen und verstärken können. Ein Beispiel wäre ein Teufelskreis von Konflikten zwischen Eltern und einem Kind, bei dem das Verhalten des Kindes die Reaktion der Eltern beeinflusst und umgekehrt.

Der Therapeut in der systemischen Familientherapie fungiert als neutraler Moderator, der das Familiensystem beobachtet, um Muster, Rollen und Kommunikationsstile zu identifizieren. Die Therapiesitzungen können sowohl mit Einzelpersonen als auch mit der Familie als Ganzes stattfinden. Die Therapie kann auch erweitert werden, um andere wichtige Bezugspersonen einzubeziehen, wie Großeltern oder enge Freunde.

Ein weiteres Schlüsselkonzept ist die „Externalisierung“. Dies bedeutet, Probleme nicht als feste Eigenschaften einer Person zu betrachten, sondern als separate Entitäten, die die Familie oder das System beeinflussen. Indem das Problem externalisiert wird, kann die Familie gemeinsam nach Lösungen suchen und sich vom Problem distanzieren.

Die systemische Familientherapie zielt darauf ab, Veränderungen im Denken, in der Kommunikation und im Verhalten aller Mitglieder des Systems zu fördern. Dies kann durch das Hinterfragen von Annahmen, das Aufdecken verborgener Konflikte und das Entwickeln neuer Handlungsmöglichkeiten geschehen.

Insgesamt bietet die systemische Familientherapie einen umfassenden Ansatz zur Bewältigung psychischer Probleme, indem sie die Bedeutung von sozialen Beziehungen und Umständen betont. Sie ermöglicht Familien und sozialen Systemen, ihre Dynamiken zu verstehen, Ressourcen zu mobilisieren und gesündere Interaktionsmuster zu entwickeln, um langfristige positive Veränderungen zu erreichen.